Bundesfinanzhof zweifelt an neuer Grundsteuer

Die reformierte Grundsteuer beschäftigt bereits die Gerichte. Haus & Grund Deutschland und der Bund der Steuerzahler führen gemeinsam mehrere Musterklagen, um eine verfassungsrechtliche Prüfung der zweifelhaften neuen Berechnungsmethode herbeizuführen. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterstreicht jetzt die verfassungsrechtlichen Bedenken.

München/Berlin. Grundeigentümer müssen die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass ihre Immobilie erheblich weniger wert ist, als das Finanzamt meint. Der Gesetzgeber darf zwar bei einem Massenverfahren wie der Grundstücksbewertung für die neue Grundsteuer prinzipiell zu Pauschalierungen und Typisierungen greifen, so dass nicht für jedes der rund 36 Millionen Grundstücke in Deutschland eigens der exakte Grundsteuerwert zu ermitteln ist. Geringe Abweichungen vom tatsächlichen Wert müssen die Eigentümer dadurch hinnehmen.

Wenn der Grundsteuerwert vom Finanzamt jedoch mehr als 40 Prozent zu hoch angesetzt worden ist, müsste eine verfassungskonforme Grundsteuergesetzgebung den Eigentümern die Möglichkeit einräumen, die große Abweichung nachzuweisen, damit eine Anpassung vorgenommen werden kann. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden, wie das Gericht am Donnerstag (13. Juni 2024) bekannt gegeben hat (inhaltsgleiche Beschlüsse vom 27.05.2024, Az.: II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).

Weil das Gesetz zur neuen Grundsteuer aktuell eine solche Nachweismöglichkeit einer deutlich zu hohen Bewertung nicht vorsieht, hat der BFH die Aussetzung der Vollziehung der neuen Grundsteuer für die Kläger bestätigt, die zuvor bereits vom zuständigen Finanzgericht im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes angeordnet worden war. Die Revision des Finanzamts dagegen blieb also vor dem höchsten deutschen Finanzgericht erfolglos. Die Bundesrichter hielten es in beiden Fällen für möglich, dass es den Klägern tatsächlich gelingen könnte, nachzuweisen, dass ihre Grundstücke erheblich überbewertet wurden.

Pauschalisierende Bewertung: Im Einzelfall hohe Ungenauigkeit möglich

In einem der beiden Fälle geht es um ein 70 Quadratmeter kleines Einfamilienhaus in Rheinland-Pfalz. Der Altbau aus dem Jahr 1880 ist kaum renoviert worden und in schlechtem Erhaltungszustand. Das neue Bewertungsverfahren kam auf der Grundlage der pauschal per Tabelle vorgegebenen Bodenrichtwerte und Mieterträge zu einem Grundsteuerwert, der vermutlich deutlich von der Realität abweichen dürfte. Jedenfalls überzeugten die Ausführungen der Eigentümer, dass ein individuelles Wertgutachten einen deutlich kleineren Wert ergeben würde, die BFH-Richter.

Damit hat erstmals ein Bundesgericht ernsthafte Zweifel an der Verfassungskonformität der neuen Grundsteuer nach dem sogenannten Bundesmodell angemeldet. Dieses Modell wird in 11 Ländern angewendet, darunter auch Nordrhein-Westfalen. Der Entscheid ist ein Erfolg in einem ersten der insgesamt sechs Musterverfahren, die von Haus & Grund Deutschland gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler verfolgt werden. Damit ist das rechtliche Vorgehen gegen die reformierte Grundsteuer einen Schritt weiter, aber noch längst nicht am Ziel angekommen.

Bundesverfassungsgericht soll entscheiden

„Das letzte Wort in den anhängigen Klagen vor den Finanzgerichten wird das Bundesverfassungsgericht haben. Auch wenn der Bundesfinanzhof mit seiner Entscheidung die Beschwerden des Finanzamtes zurückgewiesen hat, hat er doch keine eindeutige Aussage zur Verfassungswidrigkeit getroffen. Somit bleiben für uns verfassungsrechtliche Bedenken bestehen“, kommentierten der Präsident von Haus & Grund Deutschland, Dr. Kai Warnecke, und Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel den BFH-Beschluss.

Die erheblichen Zweifel an der neuen Grundsteuer bleiben für beide Verbände existent: Sowohl die Bodenpreise als auch die Mietpreise, die Grundlage der Besteuerung sein sollen, seien vielerorts fernab jeder Realität und ihre Herleitung nicht nachvollziehbar, so die beiden Verbandspräsidenten. Für Haus & Grund Deutschland und den Bund der Steuerzahler steht fest: Die Musterverfahren werden weiter betrieben – es wird eine zeitnahe Entscheidung aus Karlsruhe angestrebt.

Fürs Erste hat der Zentralverband Haus & Grund Deutschland folgenden Praxishinweis für Eigentümer herausgegeben: Nach derzeitigem Stand müssen alle, die einen Bewertungsbescheid erhalten haben, ab 2025 die neue Grundsteuer zahlen, auch wenn Einspruch eingelegt worden ist. Lediglich die Kläger, deren Fall nun vom BFH entschieden wurde, müssen aktuell keine neue Grundsteuer ab 2025 zahlen.

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